Backpackerlife – Das Leben auf Reisen

Es ist Tag 126. Seit nun mehr als vier Monaten sind wir nicht mehr in good old Germany gewesen.

Es fühlt sich überhaupt nicht so an. Nein, es ist sogar verdammt schwierig, zu beschreiben wie es sich anfühlt. Wenn ich zurückblicke und realisiere, was wir schon alles erlebt haben, kommt es mir vor, als wären wir schon ewig unterwegs. Natürlich liegt das auch an unserem eintönigen, deutschen Alltag. Jeder Tag ist gleich, wir warten aufs Wochenende. Klar, dass die Zeit da schnell vergeht, während man sich auf die paar Wochen Urlaub im Jahr freut. Hier jedoch ist das ganz anders. Man weiß einfach nie, was einen erwartet, welche Erlebnisse als nächstes anstehen, wie es morgen weiter geht, wen man kennenlernt, ob man das Essen verträgt, sich streitet, wo man schläft. Jeder Tag ein Abenteuer.

Denke ich jedoch an Freunde und Familie, kommt es mir vor, als hätten wir uns gestern erst gesehen. Bei Menschen, welche einem vertraut und wichtig sind, scheint die Entfernung tatsächlich fast nebensächlich. Fast. Aber dazu ein anderes Mal mehr.

 

Vor unserer Reise haben wir unzählige Geschichten und Erfahrungen verschiedenster Reiseblogger gelesen. Man würde ja schon gern wissen, wie so ein Reisealltag aussieht. Ja ja, ich weiß- ihr denkt alle, wir seien im Urlaub. Ihr erwartet täglich Strandbilder, dass wir braun gebrannt sind und immer eine Kokosnuss als Erfrischungsdrink dabei haben.

 

Aber heute will ich euch mal einen kurzen Einblick in unser aktuelles Leben geben. Denn Reisen ist wesentlich mehr als Urlaub. Du schläfst nicht aus, denn 07.30 fährt ja schon dein Bus, was wiederum heißt, dass du ca. 05.50 Uhr aufstehst, duscht, dein Hab und Gut zusammenpackst, das Zimmer nochmal gründlich durchsuchst, frühstückst, dir in letzter Sekunde einen kalten Kaffee gönnst, da ein heißer zu viel Zeit kosten würde und in das Auto hüpfst, welches dich in Richtung Bus Terminal bringt. Und da hat der Tag noch nicht mal angefangen. Klar könntest du auf der 6-stündigen Busfahrt schlafen – theoretisch. Praktisch aber ist die Landschaft zu beeindruckend, um die Augen zu schließen, die Straßen (oder die Stoßdämpfer vom Bus) oft in einem Zustand, welcher das Anlehnen am Sitz mit einem kleinen Schleudertrauma verbinden würde und du sowieso noch so viel über das nächste Ziel recherchieren willst, dass für Schlaf selten Zeit bleibt.

 

Nach ein paar Stunden im Bus steigst du aus, setzt entspannt deinen 17kg Rucksack auf, machst gleich noch ein paar Squats *Ironie aus* und kämpfst dich durch Taxi und Tuk Tuk Fahrer, um ein öffentliches Verkehrsmittel zu erreichen. Denn ach ja – einer der größten Unterschiede zwischen Urlaub und Reisen ist sicher das Budget. Aber es ist auch viel authentischer mit den Einheimischen im Bus in die Stadt zu fahren, als still im Taxi zu sitzen, da dein Fahrer kein Wort Englisch spricht.

 

Nun stehst du da – in der nächsten Großstadt. Schon ein Hostel gebucht? Manchmal. Wenn ja, steigt man meist völlig falsch aus und der Fußmarsch durch die subtropische Großstadt beginnt. Am Nachmittag erreichst du deine Schlafgelegenheit, vergleichst nochmal kurz, ob 2 Einzelbetten im Gruppenzimmer tatsächlich günstiger sind, als ein Doppelzimmer und rollst deinen Schlafsack aufs Bett.

 

Nach dem Tagesverlauf führt der erste Weg meist unter die Dusche. Hier kann man sich gleich eine passende Taktik für die nächsten paar Tage überlegen. Gibt es Kleiderhaken? Wenn ja, werden die Klamotten welche man daran hängt, nicht trotzdem nass? Ist die Toilette im selben Raum? (ziemlich wichtige Information, da man daraus schlussfolgern kann, man muss sein eigenes Klopapier kaufen und muss am Morgen Wartezeit zum duschen einplanen) Nach der Badobservation fix ein paar frische Klamotten übergeworfen, den Beutel mit der Wäsche zusammengepackt, den Laptop eingeschlossen und los geht’s.

 

Nun heißt es die Gegend erkunden. Wo gibt es das günstigste Abendbrot, wo können wir unsere Wäsche abgeben und sicher sein, sie morgen wieder abholen zu können? Kann man ins Zentrum laufen und wo war nochmal dieser riesige Tempel? Meist endet das ganze je nach Uhrzeit bei einem Kaffee oder Abendessen. Die nette Mutti, welche nach 4 Mal nachfragen final verstanden hat, dass Vegetarier auch keinen Fisch essen (Zeichensprache versteht sich) sitzen wir endlich mit einer dampfenden scharfen Suppe auf Kinderstühlen am Straßenrand und genießen entspannt den Trubel um uns herum. Die Suppe schmeckt traumhaft – gedämpfte Reisnudeln, Sojasprossen, Morningglory, frischer Koriander und viel Chili. Zwei Essen mehr im Bauch, 1,80 Euro weniger in der Tasche und ein herzliches Dankeschön der Köchin später bummeln wir zurück zur Unterkunft. Theoretisch könnte man nach dem Tag nun ins Bett fallen. Könnte man. Macht man aber nicht, da man ja gar nicht weiß, was man dann am nächsten Tag macht. So macht sich zurück im Hostel jeder einen Tee (nein, wir trinken auch nicht ständig Bier- im Gegenteil, wir trinken wesentlich weniger als in Deutschland), schnappt sich sein Handy und recherchiert, was es am nächsten Tag zu entdecken gibt, wann übermorgen der Bus abfährt, ob man die Tickets vorher kaufen muss und wo ist eigentlich der nächste Mopedverleih?

 

Meist sitzt man vor dem Hostel, auf dem Balkon, oder im Gemeinschaftsraum. Meist trifft man andere Backpacker und kommt mit ihnen ins Gespräch. Man tauscht Erfahrungen aus, schmeißt alle Pläne über den Haufen und ist froh, das Busticket noch nicht online gebucht zu haben. Aus Brasilien und Spanien also? Nette Menschen. Klar können wir zusammen weiter reisen. Warum auch nicht. Ist man auf einer Wellenlänge, endet man in Gesprächen, welche gern mal die halbe Nacht dauern können. Natürlich will man wissen, wo der andere schon war, wo es als nächstes hingeht, was es für Empfehlungen gibt. Aber das ist längst nicht alles. Zu Beginn laufen die Gespräche alle sehr ähnlich ab. Jedoch merkt man recht schnell, ob das gut passt, oder man vielleicht nun doch 23 Uhr ins Bett gehen sollte. Stellt man fest, dass man während der Unterhaltung die Zeit vergisst, lacht, Spaß hat und gemeinsame Pläne macht, ist es ein wenig wie in einer guten Beziehung. Die Wellenlänge stimmt, man mag den Humor des anderen und schon macht man gemeinsame Pläne. Man findet auf Reisen schnell Freunde. Viele denken jetzt sicher „Nennt das nicht gleich Freunde“. Doch. Man hat einfach die gleiche Weltanschauung, aus diesem Grund trifft man sich genau dort. Am anderen Ende der Welt. Man teilt neue Erfahrungen, hat gemeinsame tolle Erlebnisse, nimmt Rücksicht aufeinander und ist füreinander da. Ein sehr schönes Gefühl.

 

Ich denke, eins der schönsten Gefühle auf Reisen ist, wenn man realisiert, dass man nach Italien, Peru oder Japan wohl nie wieder in den Urlaub fährt. Man fährt Freunde besuchen. Für immer.

 

Anni

 

3 thoughts on “Backpackerlife – Das Leben auf Reisen

  1. Magda

    Schön geschrieben und soooo wahr. 🙂

    1. Christian

      Hallo Magda,
      freut uns sehr, dass es dir gefällt. Wir wünschen dir eine tolle und sichere Zeit. Meld dich gern immer mal 🙂
      Viele liebe Grüße
      Anni und Christian

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